Ohne Frage ist Mozarts „Krönungsmesse“ eine Krönung, allein was sein kirchenmusikalisches Schaffen anbetrifft. Warum aber heißt die überaus populäre Konzertmesse so? Selbst hat sie Mozart nie als solche bezeichnet.
Richtet man sich nach Mozarts eigenhändig hinzugesetztem Chronogramm, so hat er sehr wahrscheinlich die Partitur am 23. März 1779 vollendet. Zu dieser Zeit war man von einem Krönungsanlass, zumindest im Hause Habsburg, weit entfernt und auch eine neuerliche Erhebung zum König oder Kaiser nicht in Sicht.
Joseph II., Sohn aus der Ehe von Franz Stephan und Erzherzogin Maria Theresia von Österreich, einzige Erbin Kaiser Karls VI., war ab 1764 römisch-deutscher König und wurde 1765 zum römischen Kaiser gekrönt. Er hatte keine Söhne, so dass sein jüngerer Bruder Leopold nach seinem Tod 1790 römisch deutscher König und Kaiser wurde. Für dessen Krönung erging an Mozart in der Tat der Auftrag für eine Komposition, allerdings für eine Oper, die den Titel „La clemenza di Tito“ („Die Milde des Titus“) trägt. Auf Kaiser Leopold II. folgte 1792 Franz II. zugleich der letzte römisch-deutsche König und Kaiser, der ab 1806 mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation als Franz I. nur noch Kaiser von Österreich war.
Wie gesagt, 1779, der Zeitpunkt der Fertigstellung der besagten Krönungsmesse – übrigens, nicht die letzte von insgesamt elf Konzertmessen, die auf dem Grundton C aufbauen – liegt im deutlichen Abstand zwischen den Krönungsfeierlichkeiten nach 1765 und vor 1790. Sie fanden allesamt in Frankfurt statt. Schließlich 1792, zur Krönung von Franz II., war Mozart, der 1791 starb, bereits tot.
Als Mozart die so genannte Krönungsmesse schrieb, war Fürst- und Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo von Waldsee und Mels sein Dienstherr.
Taler des Erzbistums Salzburg zeigt Fürst- und Erzbischof
Hieronymus Graf Colloredo von Waldsee und Mels
Sein Hoforganist, der seit dem 17. Jänner 1779 nach längeren Konzertreisen und vergeblicher Stellensuche erneut bei ihm eine Anstellung fand, könnte sie für ein Hochamt am Salzburger Dom vorgesehen haben. Das Osterfest fiel damals auf den 4. April, so dass für die Ausführenden noch ausreichend Zeit war, sie einzustudieren.
Zu Mozarts kirchenmusikalischem Œvre zählten am Ende seines viel zu kurzen Lebens 17 Messen, als letzte ein Requiem, das er zunächst ungewollt – allenfalls auftragsgemäß – oder vielleicht doch gewollt sich selbst zu seinem eigenen Ende schrieb. Neben einer Missa longa, Missa solemnis und der großen Messe in c-Moll, waren es meistens Messen in der kurzen Fassung einer Missa brevis. Letztere umfasste zwar die Vertonung des gesamten Messordinariums, aber mit Rücksicht auf die Gesamtlänge des Gottesdienstes nur in betont knapper Weise. Von Colloredo ist bekannt, dass er bei der Zelebration der Eucharistiefeier nicht unnötig lange am Altar stehen und warten wollte, nach seiner Ansage: „Mach Er‘s kurz, Mozart!“
Der Erzbischof war ein Verfechter von Reformen im Sinne der damaligen katholischen Aufklärung. In diesem Geiste erließ er auch viele kirchliche Verordnungen und griff dabei oftmals in religiöse und nichtreligiöse Bräuche ein. Seinerzeit wurde im Volksmund kolportiert: „Unser Fürst von Colloredo hat weder Gloria noch Credo“. Er untersagte Wallfahrten und Bittgänge generell, Kirchenschmuck und Kirchenmusik schränkte er auf das notwendige Maß ein. Im Bereich der neuen Gottesdienstordnung gehörte allerdings zu seinen Anordnungen auch die Einführung des deutschen Volksgesanges während der Messe.
Nach einer sich hartnäckig haltenden Legende, die 1907 der Mozart-Enthusiast Johann Evangelist Engl in die Welt gesetzt hat, soll er die Messe für das Krönungsfest in der Wallfahrtsbasilika Mariae Himmelfahrt auf dem Plainberg nördlich der Stadt Salzburg, das im Jahre 1779 erstmals am 27. Juni eingeführt wurde und seitdem alljährlich begangen wird, komponiert haben. Einen schriftlichen Beleg für einen solchen Auftrag gibt es allerdings nicht. Vielmehr ist der Name Krönungsmesse erst 1862 in der Erstauflage des Köchelverzeichnis‘ schriftlich nachgewiesen. Möglicherweise wurde die Messe KV 317 erst nach Mozarts Tod zur bevorzugten Komposition für Gottesdienste bei Kaiser- und Königskrönungen sowie bei Dankgottesdiensten. Zum ersten Mal könnte sie 1792 im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten für Kaiser Franz II. verwendet worden sein. Allerdings gibt es hierfür, nach gegenwärtigem Kenntnistand, keinen Beleg.
Das gilt ebenso für die nachfolgenden Monarchen. Als Franz II., nachmals Franz I. Kaiser von Österreich 1835 verstarb, kam sein erstgeborener Sohn Ferdinand I. (1793-1875) auf den Thron. Jener war von Geburt an mit einem Handicap behaftet. Weniger Wohlwollende sprachen von „Ferdinand, dem Depperten“, Gutmeinende gaben ihm den euphemistischen Beinamen „der Gütige“, im Volksmund verballhornt auch als „Gütinand der Fertige“. In der Tat machte ihn seine außerordentliche Führungs- und Entscheidungsschwäche unfähig zur Alleinregierung. Sein hilfloser Ausspruch: „Ich bin hier der Kaiser und will endlich meine Knödel haben", mag hierfür bezeichnend sein. Ab 1848 war er „Kaiser im Ruhestand“. Nicht sein Bruder Franz Karl, sondern dessen Sohn Franz Joseph übernahm daraufhin das Regiment.
Die ursprünglich nur interne Bezeichnung Krönungsmesse – zu wessen Krönung oder Feierlichkeit auch immer – dürfte, wahrscheinlich ausgehend von Gepflogenheiten der Wiener Hofmusikkapelle, bald Allgemeingut geworden sein.
Augenpaar von W. A. Mozart nach einem Detail aus dem Gemälde von Johann Nepomuk della Croce (ca. 1781), Foto gemeinfrei
Taler des Erzbistums Salzburg zeigt Fürst- und Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo von Waldsee und Mels, Foto gemeinfrei
Text verändert nach einem BLOG des Autors auf der Website von MakSi 2018