Das Würde im Deutschen ist unantastbar

Kam ein Kunde ins Autohaus und sagte im devoten „Konjunktiv der rhäinischen Art"„Darf isch sie vielleischt frajen, ob mäin Auto schon fertisch  wäre?" 

An der Rezeption erhielt er die Antwort: „Wolle ma gucken. Wääre dat vielleischt enne jroße Inschpektion bei ihnen?" Bei mir?" „Nitte bei ihnen. Ich mäin ihr Auto. – Na jut, sajen's mal so, wenn se misch schon danach frajen, ob et fertisch wäre, dann täät isch mal den Mäister rufen.“

Der Kunde denkt, ohne es auszusprechen, „watte 'ne Kappes, iset denn nun fertisch oder iset dat noch nich? Könnte es, nur weil isch danach jefracht habe, fertig säin oder iset (Indikativ), wenn man den Meister nicht nur fragen täte, sondern tut, tatsäschlich schon fertich?"

Hierzu fällt mir eine Dozentin ein, von der wir als Studierende damals dachten, dass sie den unsääglichen Konjunktiv schon wegen des gedehnten „ää‘s“ verwenden tääte. Man meinte, dass sie dieses Tääte mit Wollust trompeetete. Es schien, als ziele sie nur darauf ab, ihr Auditorium zu nerven, gar aufzuschrecken, so dass sie auf diese Weise in ihrem sich hinziehenden, um nicht zu sagen träägen Vortrag, wieder unsere Aufmerksamkeit gewänne. – Ob gewänne oder auch gewönne, was, wie man's auch näähme,  jenauso jut möchlisch wääre.

Für fragliche Fälle gibt es das volkstümliche „Würde“, was allerdings der Dozentin zu schlicht, zu popelig wääreAch, Herrschaften", sagte sie, näähmen Sie, wenn's eben möglich wääre, doch bloß immer den Konjunktiv II, so tääten sie die Leute für gebildet halten.“ – Meinte sie vielleicht eingebildet"? Denn dann – so könnte man ihr entgegenhalten – tääten wir etwas, was bei uns, wenn's vorgeblich ums Gebildetsein ginge, nicht ohne Weiteres gewiss ist. > Indikativ.

Freilich, mit dem Konjunktiv lassen wir gemeinhin Vorsicht walten, wenn wir uns im Raum des Ungewissen bewegen. Was aber wääre schon gewiss? Wohl kaum das, was in der Vergangenheit hat sein oder hätte gewesen sein können, und schon gar nicht, was auch in Zukunft noch sein wird oder könnte. Immerzu müssen wir Deutschen mit konjunktivischen Satzkonstruktionen manövrieren.

Ungeübte auf diesem Terrain sind es oft satt und operieren gleich mit dem praktischen „Würde“. Nicht schön, aber auch nicht falsch. Kein Wunder, dass es beharrlich verwendet wird, nach dem Motto, „das Würde* im Deutschen ist unantastbar“. 

 

Zu guter Letzt ließe sich folgender Dialog anfügen, eine sprachliche Spielerei um das „Könnte und was wäre“, den uns LORIOT*, Meister der Sprachsatire – der seit August 2011 im Himmel ist und dort die Engel zum Lachen bringt – hier auf Erden hinterlassen hat. Nach dem Hörensagen notiert: 

- Können Geiger eigentlich nur geigen und Trompeter nur blasen?

- Mm ...? Ja …!

- Ist das nicht sehr eintönig?

- Ach was! Musiker sind mit ihren Instrumenten verheiratet.

- Aber sie könnten doch auch mal mit den Instrumenten ihrer Kollegen spielen …

- Theoretisch wäre es schon möglich.

- Praktisch auch? …

- Meinetwegen kann ein Trompeter auch mal praktisch in eine Geige blasen …

- Ich möchte, dass du meine Frage ernst nimmst!

- Ja …

- Warum sagst du dann, es wäre praktisch, in eine Geige zu blasen?!

- Ich will sagen, es wäre möglich …

- Nein, es wäre einfach unpraktisch …

- Es wäre unpraktisch, aber nicht unmöglich …

- Kein Geiger würde einen Trompeter in seine Geige blasen lassen …

- Nein, nein … aber theoretisch wäre es natürlich möglich …

- … aber praktisch eben nicht!

- Wenn ein Trompeter praktisch in eine Geige bliese, … dann  bläse (?) er, wenn er theoretisch blöse (?), praktisch nicht!

- Er bläst also nur, wenn er praktisch bliese

- Jaja, aber ein Trompeter bläst nun mal nur theoretisch in eine Geige!

- Warum gibst du nicht einfach zu, dass ein Trompeter niemals in eine Geige bläst?

- Herrgott, weil ein Trompeter theoretisch in eine Geige blasen könnte, auch wenn er praktisch dazu keine Gelegenheit hätte!

- Also, ich gehe in kein Konzert mehr, wenn ich darauf gefasst sein muss, dass plötzlich ein Trompeter theoretisch oder praktisch in eine Geige bliese.

- Liebling, kein Trompeter wird je in eine Geige blasen …

- Ach? Auf einmal …!

  

Wer an den 1. Artikel unseres Grundgesetzes dächte, dem sei zur Erinnerung gesagt, dass es darin um „die" Würde des Menschen geht.

 * * Niedergeschrieben nach einer Tonaufnahme von Viktor von Bülow und Evelyn Hamann