Lautmalen beim Wort genommen

 

Tirili-Tirila"? Welcher Vogel singt schon so? Egal, wer, wie oder wozu auch immer, es hört sich beschwingt an. Nennen wir’s Lautmalerei, Tonwort- oder Klangnachbildung, die Erschaffung eines lautprägenden Wortes – ein Onomatopoetikum (von altgriechisch ὀνοματοποίησις) –, also die Nachahmung von nicht-sprachlichen Lauten durch Silben bzw. Worte. 

Den „Gong" schlagen, auf den Fingern „pfeifen" oder einen „Furz" lassen. Einsilbig, wie diese Worte sind, flankieren sie, einleitend bzw. auslautend, den selbstlautenden Vokal mit Konsonanten wie einem sanften „G" bzw. „ng" oder auch zischenden „f/pf". Das „rz", gerollt mit viel „r(rrr)" entspricht den Dilatationswellen im Mastdarm, der im Moment des Furzes vom Fülldruck befreit wurde, und wenn es auch nur heiße Luft war. Das „Z" vom Furz zu Hinterletzt pointiert die dezente Schließung des Musculus sphincter ani, wie's der Mediziner auszudrücken pflegt, um nicht vom gemeinen Arschloch" zu sprechen.

Oder wenn etwas „knusprig" und „knackig" ist, glaubt man bei der Aussprache des Wortes die akustische Eigenschaft beim Anbiss eines trockenen Kekses oder einer Wurst, auch Knackwurst genannt, schon unmittelbar zu hören.

Dann gibt es Wortgebilde, die nicht sofort in ihrer Bedeutung erkennbar sind, aber wie bei einem Gemälde – hier Tongemälde – nicht ohne Wirkung bleiben. Zum Beispiel: Gloria, Viktoria, / widewidewitt juchheirassa. /Gloria, Viktoria, / widewidewitt bum bum.

In „Juchheirassa“ steckt in „Juchhei-“ selbstredend ein „Juchzer“, ein Ausruf als Ausdruck der Freude. Aber was heißt nach Gloria, Viktoria (zu dt. Ruhm und Sieg), mit „-oria" einer gleichlautenden, sehr vokalischen Endung, dann aber „widewidewitt bum bum“ ? Etwa das Rühren von Drum Brushes, gefolgt von bum bum, wie Paukenschläge zum Abschluss einer schmissigen Percussion?

Um zu beschreiben, wie ein Hahn kräht, können wir nicht glaubhaft selbst krähen, doch wir können es in einem Wort erkennbar nachbilden, wenn wir von „Kikeriki“ sprechen.

Da sich die Lautinventare in den Sprachen unterscheiden und die Onomatopoetika innerhalb der Sprachgemeinschaften Konventionen unterliegen, bestehen auch mehr oder weniger große Unterschiede zwischen den verschiedenen Einzelsprachen. Das Zwitschern eines Vogels, wenn nicht Tirili-Tirila, wird von Deutschen mit zilp, zalp, kiwit, kiwit oder piep, piep, von Japanern dagegen mit pyu, pyu und von Griechen mit tsiu, tsiu (Aussprache etwa „tschiu, tschiu“) wiedergegeben, der Hahnenschrei im Deutschen, wie bereits gesagt, mit kikeriki, im Niederländischen mit kukeleku, im Französischen mit cocorico, im Spanischen mit quiquiriquí und im Englischen mit cock-a-doodle-doo. In der Tendenz kann man aber feststellen, dass die Onomatopoetika verschiedener Sprachen (z. B. deutsch wau-wau, französisch ouaf-ouaf, englisch woof-woof) eher übereinstimmen als die nicht-lautadaptierten Bezeichnungen für ihre kläffenden Erzeuger wie den Hund, Hound, Dog, Chien).

In der Baby-, eher Elternsprache, bedient man sich gerne der Lautduplikation. Da gibt es den Wau-Wau, die Tuck-Tucks und Gack-Gacks .

Unter Baby-Talk oder Motherese, fachsprachlich Infant-directed speech, auch Ammen-, Kinder- oder Babysprache genannt, versteht man eine Varietät des Sprechens, das Kleinkinder so nur verwenden, weil sie es von Erwachsenen zu hören bekommen. Baby-Talk gilt als etablierter Begriff für ein kulturübergreifendes Phänomen universalen „Sprechhandelns“.

Zum Beispiel: La-le-lu, eine Silbenfolge. die an sich keinen Sinn macht. Doch, wenn Schlafenszeit ist und ein Kind damit in den Schlaf gesungen werden soll, fördert es mit ziemlicher Sicherheit den gewünschten Dusel. La-le-lu / Nur der Mann im Mond schaut zu / Wenn die kleinen Babys schlafen / Drum schlaf auch DuAls Refrain mehrfach wiederholt, verfehlt er selten die erhoffte Wirkung.

Kindersprache und Comic-Sprache liegen nah beieinander. Es sind jene Formen, die sich meist nur in Lautadaptionen wie „Zeng-Zang-Zoink“ „Fatsch-Matsch-Patsch“, „Quitsch-Quatsch-Blubber-Quack" äußern.

Wenn  im letzten widerständigen Dorf der Gallier römische Soldaten in ihren blechernen Rüstungen verprügelt werden, was dorten der fassumfängliche OBELIX mit Leibeskräften besorgt, über die er seit Kindheitstagen, als er in das Fass mit dem Zaubertrank gefallen war, verfügt, lautet es laut der zugehörigen Sprechblasen in einem fort „Schepper - Klirr - Knitter - Knetsch“.

Oft reicht auch die Reduktion auf die Reihung von Grundmorphemen nach der Art von Strunz-Schulter-Klopf-Klopf oder Würg-Kotz-Göbel-Göbel.

Nicht immer gelingt es, die tatsächliche Lautung in Worten auszudrücken. LORIOTS „Sketch vom Jodeldiplom“ ist deshalb so witzig, weil der Kurs über die bloße Reihung von Silben nicht hinauskommt, zumal die „Jodulation" = Modulation in verschiedenen Tonhöhen fehlt, so dass es nur beim monotonen Buchstabieren bleibt.

So sagt der Kursleiter: „Wir wollen jetzt versuchen, die bisher erarbeiteten Grundmotive des Erzherzog-Johann-Jodlers im Wortlaut frei vorzutragen.

Erzherzog Johann

„ ... ja, Frau Hoppenstett, was ist?“

„Hollera da didel ...?“

Der Kursleiter verbessert „Holleri!“ 

Darauf haucht Frau Hoppenstett: „Holleri ... di dudel du.“ 

Der Kursleiter: „Du dödel di ...“. Frau Hoppenstett wiederum: „Holleri du dödel du ...“

Nein, „Du dödel di! – Und nun im ganzen Satz!“  Frau Hoppenstett: „Hollerö dö dudel dö. ...“

Der Kursleiter: „Du dödel di. Dö dudel dö!, zweites Futur bei Sonnenaufgang! Holleri du didel do.“

Frau Hoppenstett fragt: „Di dudel dö?“

Nicht doch „Du dödel di.“ – Der Kursleiter: Und alle bitte!“ „Holleri du dödel di, diri diri dudel dö! 

Frau Hoppenstedt kann nach ihrem Bildungsabschluss im Jodeln, mit Jodel-Diplomabschluss, nun sagen, dass sie nicht nur als Hausfrau und Mutter den ganzen Tag am Herd stehen muss, vielmehr ab dem Zeitpunkt, wenn die Kinder mal aus dem Haus sein werden, das Gefühl haben kann, auf eigenen Füßen zu stehen. Damit habe sie dann „was Eigenes“, halt eben ihr Jodeldiplom.

 

Nun zu Worten in gereimter Form, die auf eine Melodie passen sollen. Manche bringen dank ihrer Konsonanten und Vokale, so wie sie klingen oder den Klang unterstützen, den Rhythmus schon selber mit.

Hierzu ein Beispiel: Als WILLY BANDT gefragt wurde, welche Musik er bevorzuge, gestand er: „Am liebsten mag ich Marschmusik“. Bei ihm, dem 1971 der Friedensnobelpreis verliehen worden war, hätte man am wenigsten eine Präferenz für diese Musikgattung erwartet. Bekanntlich bedient man sich ihrer gern beim Militär, zumal sie jenen Rhythmus hat, bei dem ein jeder fühlt, dass er im Schritt und Tritt fast zwanghaft mitmuss. In der volkstümlichen Rezeption ist jene Musik mit „Rumtata“ und „Schmedderengteng“ im wahrsten Sinne des Wortes „eingängig“. Auch bei WILLY BRANDT, der in seiner gepressten Art zu sprechen, nur holzschnitzartig die Worte abzusondern pflegte, fehlte es beim Redefluss bekanntlich an Leichtigkeit und Geschmeidigkeit.

Worte, die wie im Marsch zackig daherkommen, sind in den Versen von DETLEV VON LILIENCRON zu finden, die er 1883 verfasste und mit dem Titel „Die Musik kommt“ überschrieb. Darin beginnt er mit der Nachahmung von Geräuschen einer Musikkapelle, die einer Kompanie von Grenadieren voranmarschiert. Schon bevor sie um die Ecke biegt, vernimmt man die Musìk (oder sollte man‘s auf der ersten Silbe betonen, also Músik sagen?). U. a. heißt es: Klingling, bumbum und tschingdada, / zieht im Triumph der Perserschah? / Und um die Ecke brausend bricht's / Wie Tubaton des Weltgerichts, …/ Brumbrum, das große Bombardon, / Der Beckenschlag, das Helikon, / Die Piccolo, der Zinkenist, / Die Türkentrommel, der Flötist, / Und dann der Herre Hauptmann … dann (auch) die Herren Leutnants … / Der Grenadier im strammen Tritt, / Im Schritt und Tritt und Tritt und Schritt, / Das stampft und dröhnt und klappt und flirrt, / Laternenglas und Fenster klirrt. / Klingling, tschingtsching und Paukenkrach, / … Noch aus der Ferne tönt es schwach, / Ganz leise, bumbum bumbum tsching; / Zog da ein bunter Schmetterling, / Tschingtsching, bum, um die Ecke?

Wenn man die Lautmalerei beim Wort nimmt, so schallt und dröhnt in den engen Straße der stramme Tritt der jungen Grenadiere, und zwar so laut, dass das Glas in den Gaslaternen und in den Fenstern „klirrt“. Vor allem durch das Begriffspaar „Schritt und Tritt“, das wiederholt wird und bei der Wiederholung in der umgekehrten Reihenfolge mit Tritt und Schritt“ als Chiasmus erscheint, sowie durch die Aufzählung der Prädikate „stampft“, „dröhnt“, „klappt“ und „flirrt“, allesamt mit kurzen Vokalen und harten Endkonsonanten, wird das Dröhnen der Schritte deutlich. Polysyndetisch sind die aufgezählten einsilbigen Prädikate durch ein „und“ miteinander verknüpft. Die gleichmäßigen metrischen Akzente im zweiteiligen Takt ahmen die Schrittfolge nach, die beim geordneten Marschieren notwendig ist, damit der Hinter- nicht dem Vordermann in die Hacken tritt.

In der Poesie ist es die metrische Einpassung der Worte, was als besonders reizvoll empfunden wird, vor allem, wenn bei den Endsilben die Verse im Gleichklang enden. Wir neigen in solchen Fällen von „Gedichten“ zu sprechen, wenn die sprachliche Form zum Inhalt passt und sozusagen – sagt man's schlicht – „dicht“ erscheint.