In unserer Art einzigartig

 

Im Hinblick auf seine Individualität darf jeder für sich beanspruchen, einzigartig zu sein. Denn da sind zum einen die freikombinierten Anlagen, die von Elternseite zufallsgemäß vererbt worden sind, aber auch das eigene Werden, was selbst den eineiigen Zwilling gegenüber seinem genetisch gleichen Geschwister einzigartig macht.

Auch in unserer Art" sind wir, die wir uns im biologischen System mit der selbstgewählten Bezeichnung als homo sapiens einen „weisen Menschen" rühmen, einzig". Andere Arten in der Gattung homo (Mensch) haben sich unterdessen überlebt und sind nur noch fossil belegt. Rasseneinteilungen unter Menschen, wie man sie von früher kennt, sind aus heutiger, biologischer Sicht fragwürdig, aus menschlicher Sicht, wenn sie diskriminierend verwendet werden, unwürdig. 

 

Rasse = Klasse oder die ominöse Reinheit des Blutes"

Der Begriff „Rasse“ (rraça) entstand im 15. Jahrhundert in Spanien und bedeutete ursprünglich die Unterscheidung von guter oder schlechter Herkunft. Verwendet wurde er damals hauptsächlich in der Pferdezucht und bei der Beschreibung von Adelsfamilien. Hier wie dort bedeutete nachweisliche Herkunft „ein Sein der Vortrefflichkeit", edel wie Adel, dessen Erhaltung durch standesgemäße Fortpflanzung unter ihresgleichen gewährleistet schien. Inzucht allerdings nicht ausgeschlossen.

 

 In der „erstklassigen, reinrassigen" Verwandtschaft der Habsburger

zeigte sich immer wieder das markante Kinn und die vorstehende Unterlippe. 

Infolge von Cousinenehen sah man in den inzüchtenden Adelskreisen

schließlich so  aus (s. Abb.) wie Karl II. von Spanien (1661-1700),

 

Den Conversos im südlichen Spanien, vor allem den Juden unter ihnen, wurde lange Zeit nachgesagt, sie gehörten wegen ihrer Herkunft – auch wenn sie unterdessen getauft waren und somit zu den Christen zählten – nach wie vor einer schlechten Rraça" an. Ihre Diskriminierung war also schon im ursprünglichen Wortsinn „rassistisch" motiviert. Die Limpieza de sangre (span. für Reinheit des Blutes) benannte ein protorassistisches Konzept, was dazu führte, dass sich vom 15. bis zum 19. Jahrhundert die Altchristen von den Neuchristen, die jüdische, aber auch muslimische Vorfahren hatten, abgrenzten.

Zur allgemeinen Einteilung von Menschen im Sinne einer biologischen Klassifikation wurde das Wort Rasse erstmals im 17. Jahrhundert benutzt. Folgt man einige Jahrhunderte später Egon Freiherr von Eickstedt (1892-1965), so gäbe es lt. seiner „Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit" (1934) drei Rassenkreise: Negride, Mongolide und Europide.

 

Sogenannte Menschenrassen

in eurozentrischer Zusammenstellung

 

Bei uns, den Europiden unterschied er den Blondrassengürtel, hierzu zählte er Nordide, Teutonordide, Dalofälide, Fennonordide, Osteuropide.

Innerhalb des BraunrassengürtelMediterranide, Grazilmediterranide, Eurafrikanide, Berberide, Orientalide, Indide, Grazilindide, Nordindinide, Indobrachide, Pazifide, Polineside, Mikroneside, im Bergrassengürtel Alpinide, Westalpinide, Lappide, Dinaride, Armenide, Turanide, Aralide, Pamiride und unter den sog. Alteuropiden Weddide, Gondide, Malide, Toalide, Ostweddide, Ainuide. Zu den Differenzierungen in sage und schreibe über dreißig (Unter)-rassen, allein der Europiden, darf man – frei nach Shakespeare – sagen:  Ist dies schon Wahnsinn, so hat(te) es doch Methode."

Die Rassenzugehörigkeit eines untersuchten Individuums glaubte er mit seinen „Rassenformeln“ bestimmen und auf diese Weise prozentuale „Rassenanteile“ in den Bevölkerungsgruppen ermitteln zu können. „Rasse“ wurde dabei als eine überdauernde Größe vorausgesetzt, die durch die Rekombination der Gene bei der Fortpflanzung nicht zerstört werde. Ziel war es, Rassen des Menschen als zoologische Formengruppen hinsichtlich ihrer Morphologie wie auch des Verhaltens zu beschreiben.

Von Beginn an war die Unterscheidung der besagten Rassen eng mit der wertenden Aussage über ihre psychische und kulturelle Eigenschaft verbunden (Rasse und Kultur, Himmler sprach von Gutrassigen")„Herrenmenschen", „Untermenschen". In gesellschaftlichen Kategorien gedacht, soll es aus Sicht der „Upper Class" sogar Menschen geben, denen man als Subdogs" gleich die menschliche Gleichwertigkeit abspricht. Nun ja, vergessen wir das!

 

Die Mischung macht's

Alles was lebt und variiert ist in ständiger, bei uns Menschen heutzutage selbst in globaler Gendurchmischung begriffen. In unserer Art" sind wir eine einzige Mischung, d. h. jeder, der im world-wide-genpool" mitmischt, ist ein Mischling". 

Das Suffix -ling" ist ein Pejorativ (lt. peior, Komparativ zu malus = schlecht). Wenn man es der Ab-„stammung" anhängt, signalisiert es womöglich, „nicht ganz astrein" zu sein. Doch wer wäre schon rein?

Vor jeder Generation, die neu entsteht, trennen sich die zunächst doppelten, von beiden Voreltern geerbten Anlagen zufallsgemäß auf die neu zu erzeugenden Geschlechtszellen mit je einfachem Chromosomensatz. Sie daraufhin aufs Neue zu mischen und zu kombinieren ist der biologische Zweck der Sexualität. Sie ist also nicht nur zum Spaß, sondern – verbunden mit einem erheblichen Aufwand von Suchen und Finden, Begehren und Gewähren – dient sie der Befruchtung. In jeder Kombination, die sich ergibt, heißt es: neues Spiel, neues Glück. Die Auslese wird's am Ende schon richten.

Bei sogenannten reinrassigen Hunden obwaltet eine Zuchtwahl im Hinblick auf bestimmte, erwünschte Merkmale. Was dabei mitunter als Zerrbild der Ausgangsart herauskommt, mag der Züchter eine Tierrasse nennen. Im „reinen“, also reproduzierbaren Fall kann er sich einen kurz- und krummbeinigen doggy-dog mit Knautschzone, wenn sowas gewünscht sein sollte, auch zertifizieren und ins Zuchtbuch eintragen lassen.

Analog zur „künstlichen Zuchtwahl" benannte Darwin 1858 in seinem Konzept „On the Origin of Species by Means of Natural Selection “ die „natürliche Zuchtwahl" als einen Evolutionsfaktor. Das mag per Auslese neue Arten kreieren, aber beim Menschen, der sich auf die Künstlichkeit versteht und es auch immer wieder versucht hat, sich im Sinne der Perfektibilität" zu einem besseren" Wesen zu züchten, ist es dennoch definitiv bei ein und derselben Art geblieben, was offenbar heißt, noch besser geht es nicht. Man mag an Genesis, Kap. 1, Vers 31, erinnert sein: Gott sah an, was er gemacht hatte, und siehe es war sehr gut." Gegenüber der biologischen Evolution wird unsere kulturelle wohl nie zum Abschluss gelangen, soll es auf diesem Gebiet doch auch immer wieder Rückschritte geben.

 

Rassisten

Von Rassen beim Menschen sprechen allenfalls Rassisten. Dazu sei angemerkt: Wörter auf „-ismus" – wie bei Rassismus – beschreiben ein Weltbild. Ein „Animist" mag an die Beseeltheit der gesamten Welt glauben, ein „Monotheist" an „einen Gott allein“, ein „Atheist" an keinen. Das, was vor dem „-ismus" steht, sagt also nichts darüber, was ist, sondern woran die Menschen, die diese „Lehre“ vertreten, glauben möchten. Jemand, der wissenschaftswidrig meint, dass es sinnvoll sei, Menschen nach äußeren Merkmalen in verschiedene, in einigen Fällen auch in die untersten Schubladen stecken zu müssen, kann deshalb weiter als „Rassist" bezeichnet werden. 

Der Mensch ist und bleibt eine Mischung, was letzthin heißt, dass jeder, wie schon gesagt, ein „Misch-ling“ ist. 

 

 

Ansichtskarte von einer der unsäglichen Völkerschauen um die vorletzte Jahrhundertwende

„Talofa Samoa“, im Tiergarten Nill in Stuttgart, Postkarte, 1900.

 

Carl Nilsson Linnaeus (1707-1778) oder Carolus Linnaeus, nach Erhebung in den Adelsstand Carl von Linné, der sich seinerzeit als „Buchhalter Gottes“ verstand, entwarf 1758 in seiner „Systema naturae" eine Einteilung nach einfachen, unmittelbar sichtbaren, bei Pflanzen oft nur abzählbaren Kennzeichen (bspw. Anzahl der Blätter). Man denkt wiederum an Genesis, nunmehr Kap. 2, Vers 19: Gott ... führte sie (die Lebewesen) dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Allerdings, wenn für die Gattung Tri-folium, schon vom Namen her, drei Blätter typisch sind, wofür steht dann der vierblättrige Glücksklee, für den Glücksfall, den seltenen, aber doch auch möglichen Fall einer Mutation?

 

Zur Natur gehören Varianten, sei es durch Modifikationen des Phänotyps (äußere Erscheinungsform und individuelle, umweltbestimmte Ausprägung) oder Mutationen des Genotyps (spontan veränderte genetische Veranlagung, die sich über Generationen, wenn sie nicht als untauglich ausgelesen wird, reproduziert.) Ohne Varianten gäbe es die Dynamik der Veränderung nicht, vom bislang Untypischen zum Neuen. Das Typische ist der Status, das vermeintlich Statische, an dem sich Systematiker, denen Beliebigkeit und Unordnung zuwider sind, gern festklammern.

 

Das Typische

Nun ist aber Typologie idealistisch", somit wieder ein „-ismus". Schon Goethe, der naturwissenschaftlich interessiert war, dürfen wir zu den idealistischen Morphologen rechnen, sein Konstrukt der Urpflanze (nach dem Grundsatz alles ist Blatt) als Homologie" gedacht, mag auf die Abstammung von einem gemeinsamen Ursprung hinweisen. Die mitunter bizarren Abwandlungen eines Blattes nannte er Metamorphosen". 

Problematisch ist es, wenn der idealisierte Typus zum Maßstab des Realen wird, und – schlimmer noch – zur Be- und Abwertung führt. So liebäugelte seinerzeit auch Goethe mit der Physiognomik von Johann Caspar Lavater (1741-1801), der vorgab, an der Nasenspitze den Charakter des Menschen ablesen, den Grad der Intelligenz am vorspringenden Kinn und der Formgebung der sog. Denkerstirn ableiten zu können. 

 

 

Das Gesicht eines Genies sah aus wie das von Goethe (s. o.)

– übrigens auch, was nicht erstaunt, von Lavater selbst (s. u.).

 

 

„Angesichts" der Physiognomie behauptete er sogar, einen Verbrecher an der für ihn „typischen Visage" erkennen zu können.

 

In aller Vermessenheit

Später, in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts, hat sich ein Heer pseudowissenschaftlicher Kraniologen (Schädelforscher) in unserem Land in Schulen, Kasernen und anderen Zwangsanstalten, selbst in den „Irrenanstalten“, wie man sie damals noch nannte, umgesehen, um das gemeine Antlitz, Volkes Schädel im Ganzen und in allen Dimensionen, samt Anhängen von Nase und Ohren zu vermessen und ihre Auftraggeber in dem zu bestätigen, was sie hören wollten: Die unsägliche arische Rasse" und all das, was nicht an sie heranreiche, also minderwertig gegenüber der sog. Herrenrasse erscheine.  

 

Kraniometrische Vermessung

 

Das in diesem Sinne sog. Herrenvolk wurde bekanntlich zum Leitmotiv der alldeutschen Bewegung". Im Anschluss an Joseph Arthur de Gobineau (Essai sur l’inégalité des races humaines, 1853-55) und Houston Stewart Chamberlain (Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts, 1899) entwickelte sich innerhalb der „völkischen Bewegung" die Idee einer germanischen Herrenrasse. Ohne diesen völkischen und antisemitischen Vorstellungen Wesentliches hinzuzufügen, erklärte der Nationalsozialismus die „arische“ für die höchstwertige und einzig kulturschöpferische „Rasse“.

 

Rassismus ist nicht etwa Ergebnis einer wissenschaftlichen Rassenlehre,

sondern umgekehrt, Rassismus führte zur Rassenlehre.

 

Pseudowissenschaftlich verzapfter Unsinn

Des „Ahnenerbes" unseligen Angedenkens wurde am 1. Juli 1935 die gleichnamige Forschungs- und Lehrgemeinschaft als privater Verein, insbesondere auf Anregung von Heinrich Himmler und Herman Wirths, errichtet. Er fußte ideologisch auf Wirths Gesellschaft für Geistes-Urgeschichte" und dessen Sammlung für Volksbrauchtum und Urglauben". Das Deutsche Ahnenerbe, Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte" sollte den wissenschaftlichen" Beweis für die Überlegenheit des deutschen Ariers" durch Forschungen, vor allem zur germanischen Vorgeschichte erbringen.

Zu Beginn war der Verein auch als weltanschaulich-wissenschaftliches Schulungsorgan für die SS" gedacht. Zeit seines Bestehens war besagtes Ahnenerbe" Kern der NS-Ideologie. Trotz wiederholter Beteuerungen seiner Führer und Abteilungsleiter, wozu auch Himmler zählte, war man keineswegs an den Grundsätzen sachlicher Wissenschaftlichkeit orientiert. Das wirkte sich unmittelbar auf jedes Forschungsprojekt aus, das das Ahnenerbe" vergab oder selbst organisierte.

 

 

Mancher Jungforscher hat sich forsch vor den Karren der nationalsozialistischen Ideologie spannen lassen, um schon als junger Dozent einen vakanten Lehrstuhl zu besetzen, den womöglich gerade mal wieder ein Nicht-Arier freimachen musste.

Was dann im Dritten Reich mit Ausblick auf die Walhalla der ruhmreichen Gelehrten" ins akademische Oberhaus einzog, war nicht nur damals schmählich, sondern auch im Nachhinein eine Schande für die Deutsche Wissenschaft, zumal einige der Karrieristen sogar der SS angehört hatten. Es stellt sich die Frage, SS und Wissenschaft? Wie war das vereinbar. 

Etliche von ihnen klebten noch viele Jahre später an ihren Kathedern und lehrten als vermeintlich honorable Professoren mit vollem Honorar die künftigen Eliten der Nachkriegsgeneration. Der Studentenprotest Ende der 60er-Jahre prägte die hierzu passend abgewandelte Parole: „Unter den Talaren, nicht nur der alte, sondern auch der braune Mief seit Jahren " .

 

Unterschiede, die es natürlich" gibt

Einst konzentrierte man sich zur Rassenbestimmung auf willkürlich herausgegriffene, ins Auge stechende Merkmale wie Hautfarbe, Haarstruktur oder Schädelform. Daraus wurden ebenso willkürlich verschiedene Gruppen gebildet. Nun weiß man aber, dass es keinen Sinn macht, bei einem bestimmten Dunkelwert der Haut eine Linie zu ziehen und zu sagen, alle Menschen, die dunkler sind, bilden eine eigene Rasse. Zwischen hellhäutig und dunkelhäutig gibt es unendlich viele Schattierungen, zwischen glatten und lockigen Haaren ebenfalls. Das ist bei anderen Merkmalen, deren es ebenfalls unendlich viele gibt, genauso. 

Die Wiege des Jetztmenschen“, das ist derzeit gesicherte Erkenntnis, stand in Afrika. Das heißt aber nicht, dass die Urmenschen in ihren früheren Evolutionsstufen dort auch schon dunkel pigmentiert gewesen sein müssen. Bekanntlich haben sog. Menschenaffen, wie beispielsweise die Schimpansen, unter ihrer schwarzen Behaarung eine erstaunlich helle Haut. Erst die Prototypen des modernen Menschen" sind geringer behaart, nunmehr als völlig nackte Affen" ausgewiesen. In dem Maße, wie durch den Fellverlust ihre Haut ungeschützt der Sonne ausgesetzt war, erwies es sich als vorteilhaft, ein stärkeres Hautpigment zu entwickeln.

Auch die von Afrika nach Europa einwandernden Menschengruppen waren zunächst noch stark pigmentiert. Nach heutigen Erkenntnissen – den Möglichkeiten der DNA-Analyse sei Dank – waren sie jedenfalls dunkelhäutiger als bislang gedacht. So musste unlängst im Neandertal-Museum die Haut der Nachbildung des Neandertalers nachgedunkelt werden. Auch bei der Rekonstruktion der 1991 entdeckten Gletschermumie im Schneefeld vom Tisenjoch in den Ötztaler Alpen, Ötzi genannt (von den Amerikanern gerne auch als „frozen fritz" bezeichnet), dessen Vorfahren nach heutigen Erkenntnissen der Gensequenzierung aus Anatolien eingewandert sind, muss für die Hautfarbe ein dunkelbrauner Farbton verwendet werden.

Blass im Gesicht wurden Menschen erst wieder im Zuge ihrer Nordverbreitung, wo die Einlagerung von Melanin gegen die Sonneneinstrahlung nicht nur weniger notwendig ist, sondern ein Zuviel nachteilig gewesen wäre. Hierzu muss man wissen, dass Cholesterol in der Haut gebildet wird und sich unter Lichteinfall in das Provitamin D umwandelt. Das Licht, das infolge des zonal bedingten Einstrahlungswinkels der Sonne unterschiedlich intensiv auf die Erde auftrifft, zeigt sich beim Menschen auch im Grad der reagierenden Abschirmung durch die Haut. Entsprechend zeigt sich der Unterschied in der Pigmentierung zwischen den Durchschnitts-Europäern und Durchschnitts-Afrikanern.

– Nebenbei bemerkt, kein „Einzigartiger" ist Durchschnitt.

Aber wir haben ja nicht nur Gene für Haut und Haare, sondern auch Gene, die beeinflussen, wie groß wir werden, ob wir anfällig sind für Herzinfarkte oder Depressionen oder ob sich Fettleibigkeit b r e i t macht.

Unterm Strich unterscheiden sich die Menschen innerhalb Europas genetisch viel stärker, als sie sich insgesamt etwa von den Menschen in Afrika unterscheiden. Auch deshalb ergibt es wenig Sinn, von Rassen zu sprechen. Man kann beim DNA-Vergleich durchaus Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Bevölkerungsgruppen, also den Grad der Ethnizität ermitteln, dabei zeigt sich, dass weiße Europäer mit Ostafrikanern genetisch wesentlich enger verwandt sind als Ostafrikaner mit indigenen Südafrikanern. Also: Alle Afrikaner in einen Topf zu werfen, auf die Idee können nur Weiße kommen.

 

Wenn nur a l l e Menschen Brüder wären!

Friedrich Schiller lässt in seiner „Ode an die Freude“ (Erste Fassung 1785) den „sanften Flügel“ zunächst nur über den Brüdern weilen. Unterdessen mag der „sanfte Flügel“ aber auch über den Frauen weilen.

Schon zwei hundert Jahre früher, im 18. Jahrhundert, lässt man die Epoche der Aufklärung" beginnen. Die Vernunft als universelle Urteilsinstanz, mit der man sich auch gegen den Widerstand von Tradition und Gewohnheitsrechten von althergebrachten und überholten Vorstellungen befreien wollte, brach sich in der Amerikanischen Revolution von 1776 und der Französischen Revolution von 1789 Bahn. 

Um die folgende Zeitwende zum 19. Jahrhundert hielten sich die Freidenker hierzulande vor der Obrigkeit und in der Öffentlichkeit noch sehr zurück.

Die revolutionäre Parole chiffrierten die Rheinländer mit dem Kürzel ELF, was bekanntlich zur Karnevalszeit dazu führt, dass am elften, elften, elf Uhr elf zur offiziellen Eröffnung angestoßen wird. Die drei Buchstaben stehen für Égalité, Liberté und Fraternité. Wegen der letztbenannten Brüderlichkeit versus Geschlechtergerechtigkeit werden heute im Deutschen die Forderungen auch durch das Triple „Freiheit, Gleichheit (= Gerechtigkeit), Solidarität“ ersetzt.

Während sie in der Französischen Revolution für die einen Menschenrechte verkündeten, wurde zeitgleich das Konzept „Rasse“, für andere als sie selbst, zu einer (pseudo)wissenschaftlichen Kategorie stilisiert. Im ausgehenden Mittelalter, wie eingangs schon erläutert, war das Konzept verschiedener Menschenrassen im Zuge der Reconquista insbesondere nur auf jüdische und muslimische Bevölkerungsteile innerhalb Europas angewandt worden. Mit dem aufkommenden Kolonialismus jedoch wurde Rassismus als Ideologie auf weitere Personengruppen ausgeweitet.

 

Rassismus, Ausfluss einer Ideologie

Die frühe kapitalistische Moderne" globalisierte das Konzept der vermeintlichen biologischen und kulturellen Überlegenheit bestimmter Menschengruppen und rechtfertigte so, ausgerechnet im Zeitalter der Aufklärung, brutalste Ausbeutung, Versklavung, Kolonialisierung und Genozide. Rassismus entstand als nachträgliche Rationalisierung eines grausamen Gewaltverhältnisses.

Voltaire (1694-1778) hatte die Benennung des Schiffes eines Sklavenhändlers auf seinen Namen sogar als Ehre verstanden. Einen nach Paris verschleppten afrikanischen Sklaven beschrieb er als eines „der Tiere, welche den Menschen ähneln“. Er schien ihm dem missing link, dem fehlenden Glied, zwischen Mensch und Tier nahezukommen. Schwarze hielt er für eine von Weißen verschiedene Spezies der Menschen, innerhalb derer ernsthaft diskutiert würde, ob diese selbst von Affen abstamme oder umgekehrt. Im Geiste der Aufklärung seien zwar alle Menschen gleich, aber nicht alle seien gleich Menschen. 

 

 

So urteilte auch der vernunftbegabte" deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) über die Qualitäten der Menschen, vor allem über jene, die nicht so sind wie wir: „In den heißen Ländern reifen sie in allen Stücken früher, erreichen aber nicht die Vollkommenheit der temperierten Zonen. Die Menschheit zeigt sich in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen. Der Einwohner des gemäßigten Erdstriches, vornehmlich des mittleren Theiles desselben ist schöner an Körper, arbeitsamer, scherzhafter, gemäßigter in seinen Leidenschaften, verständiger als irgendeine andere Gattung der Menschen in der Welt. Daher haben diese Völker zu allen Zeiten die anderen belehrt und durch die Waffen (!) bezwungen.“

Wir sehen, wie viele Philosophen seiner Zeit unterteilte auch Kant Menschen in verschiedene Rassen und nahm sie zum Ausgangspunkt, um die einen auf- und die anderen abzuwerten. Recht beliebige physiognomische und kulturelle Merkmale wurden in Verbindung gebracht mit Dispositionen bezüglich „Intelligenz“, „Charakter“, „Themperament“ etc.

 

Die Erwählten und die Gequälten

Die Rassentheorie war nicht nur Ausfluss eines europäischen Irrwegs, auch in weiten Kreisen der westlichen Welt entstand das Bedürfnis, eine Begründung für den Kolonialismus zu liefern, der zwischen angeblich höher- und niederwertigen Menschen unterschied, was den Nutznießern notwendig erschien, um den Raub an Gütern und Menschen – bis zu ihrer Versklavung – zu legitimieren.

 

 

Kolonialherr in der ungenierten Attitüde eines Herrenmenschen,

ca. 1885, zur Zeit der damals deutschen Kolonie Togo

 

Mit dem Imperialismus und Kolonialismus ging auch die Missachtung der Kultur der unterdrückten Völker einher. Die Missionierung, die man vor allem im Christentum kennt, erfolgte selten als behutsame Inkulturation. 

Der Anspruch, die Welt physisch und kulturell zu beherrschen, schien besonders dem Geist" des Calvinismus (wiederum auch hier ein -ismus) zu entsprechen, dessen Ethik im Denken reformierter Christen seit dem 16. Jh. nicht folgenlos in Westeuropa und Nordamerika herum-„geisterte", wonach die sog. P r ä d e s t i n i e r t e n – „um Gottes willen!", möchte man sagen – im Erweis ihrer Tüchtigkeit und ihres Erfolgs zur Seligkeit oder, im gegenteiligen Fall, zur Verdammnis vorbestimmt seien. 

 

 

Tabula Praedestinationis, 1555

Die Trennung der Erwählten (links) von den Verdammten (rechts)

 

Wenn es so wäre, wie es nach der Denkart jener sein sollte, die sich gern selbst zu den „Gerechten" zählen möchten, dürfe es – ja, müsse es verschiedenwertige Menschen geben, Schwache und Starke, Gewinner und Verlierer, Reiche und Arme – ein Hoch" auf den Kapitalismus? – , Mächtige und Ohnmächtige, Ausbeuter und Versklavte, die sog. Herrenmenschen – Arier", wie sie die Nazis nannten – und unwerte Rassen, wozu seinerzeit nach Meinung der NS-Ideologen selbst in Bruchteilen noch sog. Halbneger und Vierteljuden zählten.

 

Umdenken

Nun aber wurde die neue Beurteilung der Rassenfrage bzw. Infragestellung menschlicher Rassen in die JENAER ERKLÄRUNG, die Zoologen und Evolutionsforscher 2019 veröffentlicht haben, aufgenommen. Dort heißt es über Menschenrassen: „Es gibt hierfür keine biologische Begründung und tatsächlich hat es diese auch nie gegeben.“

Zweifellos hat es vormals den „Begriff" Rasse gegeben. Wenn es im dritten Absatz von Artikel 3 im Grundgesetz unserer geläuterten Republik heißt:  ... Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner R a s s e, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden", so ist das u. a. als bewusste Absetzung gegenüber der Diskriminierung sogenannter Rassen zu verstehen, wie sie in den Nürnberger Gesetzen" zur NS-Zeit (1935) festgeschrieben wurde.

Um heute das Wort Rasse", das seinerzeit oft auch als Maledictum verwendet / missbraucht wurde, gänzlich zu vermeiden, könnte man sich auf die Begriffe Herkunft" (Abstammung) wie auch Heimat" (Herkommen) beschränken, die in der Formulierung des dritten Artikels eh schon vorhanden sind.

Doch wäre der Rassismus in unserem Denken schon damit überwunden? Papst Franziskus sagte seinerzeit : „Immer leiden die Schwächsten unter den Kriegen. So werden im Hinblick auf die Flüchtlinge nicht alle gleich behandelt. Sie werden unterteilt in erster Klasse, zweiter Klasse, nach Hautfarbe, ob man aus einem entwickelten Land kommt oder einem nicht entwickelten. Wir sind Rassisten. Und das ist schlimm."

Ein andermal fragte er sinngemäß: „Versündigen sich Rassisten, wenn sie andere Menschen wegen ihrer Andersartigkeit geringachten, nicht gegen Gott, der in seiner Schöpfung und vor allem in jedem Menschen abbildhaft * erscheint?" So gesehen, wohl wahr.

 

Karl II. von Spanien, Anfang 18. Jh., Porträtist unbekannt, gemeinfrei

Eurozentrische Zusammenstellung sog. Menschenrassen, Chromolithographisches Plakat (Erstellt: 1. Januar 1911, Elka - Dresden : C.C. Meinhold & Söhne), gemeinfrei

Systema naturae, Titelblatt, gemeinfrei

Repro von einer Ansichtskarte der Völkerschau: „Talofa Samoa“, im Tiergarten Nill in Stuttgart, Postkarte, 1900. Gemeinfrei

Portraits (Repro vom Original: Isenberg) zeigen Johann Wolfgang von Goethe und Johann Caspar Lavater als Beispiele für einen Charakterkopf, in: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe, von J. C. Lavater, Leipzig 1775/78

Foto: A New Head-Measurer", Man 15 (1914), kraniometrische Vermessung, gemeinfrei

Kolonialherr, ca. 1885, zur Zeit der damals deutschen Kolonie Togo, Foto gemeinfrei

Erster Abschnitt (Repro gemeinfrei) aus der schematischen Darstellung der unterschiedlichen Prädestination von Théodore de Bèze. Der Entwurf wurde ausdrücklich von Calvin gebilligt.

* 1 Gen 1,27: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, (expressis verbis) als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie."