Drunter und Drüber

 

Bei den Damen, wie man sagt, seien die Intervalle modischer Akzeptanz recht kurz. Ihre Kleidung, gerade noch von Gestern, sähe schon heute, wie sie glauben, „schrecklich“ altmodisch aus.

In Bezug auf die angesagte Herrenmode zeigen Männer, so war es jedenfalls damals, einen wesentlich längeren Atem. Anders gesagt, das gut und teuer geschneiderte Herrengewand mochte schon den Geruch vom Schweiß vieler Jahre atmen und wurde dessen ungeachtet noch lange für tragbar befunden.

Sieht man unsere Patriarchen auf alten Fotos, so könnte man den Eindruck haben, sie seien durchweg als „Dunkelmänner“ aufgetreten. Was die Einfärbung ihrer Textilien betrifft, so kamen offenbar nur Schwarz oder einige Graustufen dazwischen in Frage. Anderes, möchte man einwenden, ließ sich seinerzeit auf der lichtgeschwärzten Emulsion der Fotoplatten ja auch für die Nachwelt nicht festhalten.

 

 

 Honoratioren als Dunkelmänner"

 

Männlich bis locker

Vielleicht leistete sich der eine oder andere – in der selbst damals nicht gänzlich farblosen Realität – auch schon mal ein dezentes Dunkelblau. Einer, der vielfarbig, um nicht zu sagen, bunt daherkam, galt nicht als ernstzunehmender Mann. Ein solcher erlaubte sich allenfalls einen Querbinder dictus Fliege oder einen Langbinder à la cravate – was man, gebunden nach kroatischer Art, eine Krawatte oder vulgo einen Schlips nennt –, um gegebenenfalls damit einen dezenten Farbtupfer ins Alltagsgrau oder auch ins festlichere Schwarze zu setzen. In der Brusttasche des Sakkos schickte mitunter ein  Einstecktuch, in der Farbe des Quer- bzw. Langbinders.

Einen Kontrast bot unter Umständen eine hellgraue oder weiße Unterweste. Weiße Anzüge, also Jacke wie Hose, trugen die Herren allenfalls zu besonderen gesellschaftlichen Anlässen, outdoor zum Tennisspielen oder auf dem Golfplatz, an der Trabrennbahn, vielleicht auf Schiffsreisen, indoor abends in der Bar, bei einer Gala, einer Tanzveranstaltung oder als Musiker in der dort aufspielenden Salonkapelle. Nun war aber weiße Kleidung überhaupt nicht alltagstauglich. Weiße Gamaschen auf Straßenschuhen galten als dandyhaft.

 

Braun, gerafft und kurz

Braune Schuhe mochten einem Zeitgenossen, der beim Blick in seinen Kleiderschrank nur vor der Wahl zwischen schwarz oder anthrazit, steingrau oder einem „frischen mausgrau“ stand, als unpassend, gar unseriös erscheinen, gleichsam wie das, in das man auf dem Trottoir mit seinen Tretern besser nicht hineingetreten haben wollte. 

Überhaupt braune Kleidung – etwa khaki, wie einst beim „braunen Haufen“ der Nazis – galt als prollig. Bestenfalls passte Braun zur sportiven, gerafften Kleidung, vor allem zu den in Wadenhöhe am Bundsteg überfallenden „Schlumperhosen“, britisch Knickerbocker genannt. Der hierfür bevorzugte, da strapazierfähige braune Cord begründete die burschikose Bezeichnung als „Wellblechbotze“. Diese fand, nicht zuletzt Dank der Jugendbewegung, im ganzen Deutschen Reich Verbreitung. Dort grassierten bald auch kurze Hosen, selbst für ausgewachsene Männer, sollte doch „mit nacktem Bein ein deutsches Mannsbild abgehärtet sein“. 

 

Amtliches Outfit

Gebläute Textilien waren Uniformierten vorbehalten. In der Forstwirtschaft trug man/Mann (heute auch Försterinnen) „naturgemäß“ Grün . Auch wurde immer auf gleichfarbige Socken geachtet. Schwarz passte immer. Im Ganzen galt das auch für das kirchliche Personal. Schwarz im Kontrast zum Kollar, dem weißen Römerkragen des Klerus wie dem gespreizten oder parallel herabhängenden weißen Beffchen bei den lutherischen bzw. reformierten Pastoren, wie auch Pastorinnen.

Geistliche Herren auf katholischer Seite, trugen, bis auf Bischöfe und den Papst, ebenfalls schwarze Talare. Zudem zierte mitunter ein aufgesetztes Zingulum, ein breites Gürtelband in den kennzeichnenden Würdefarben, ihre Soutanen, die als Obergewand ihr angefuttertes Prälatenbäuchlein" gnädig zudeckten.

Wie bei den Richter- und Anwaltsroben wurden und werden sie auch heute nur bei der Amtsausübung getragen. Umständlich sind sie bei einigen lebenspraktischen Verrichtungen allerdings schon.

 

 

Hinweisschild

in der Herrentoilette

 

Zivile Oberbekleidung

Der Zivilist zog sich, wenn er sich öffentlich zeigte, ein Jackett über, vielleicht einen Kurzmantel als Überzieher, auch Stutzer genannt, einen Geh- oder Bratenrock, unter hochoffiziösen Umständen – zusammen mit weißer Weste und Chemisette – einen pinguinesken Frack.

Man(n) legte die Oberkleidung nur dann ab, wenn man die anwesenden Damen vorher höflich gefragt hatte, ob ihnen der Anblick zuzumuten sei. Denn wenn ein Herr so „frei“ war, gab er sich vielleicht nicht gerade die Blöße, aber offenbarte doch intime Einblicke in das, was sich unter der schnieken Schale wundersam verbarg. Erst einmal abgetakelt, musste die holde Weiblichkeit ernüchternd zur Kenntnis nehmen, dass den stattlichen Herrn unter seinem Jackett nicht immer das kleidete, wonach es aussah. Denn nicht selten bestand das vermeintliche Herrenhemd nur aus unzusammenhängenden Einzelteilen.

Natürlich trugen „betuchte“ Herren auch einteilige Oberhemden, sogar mit Ärmeln. Deren Einheitslänge wurde durch Ärmelhalter an den Oberarmen unter dem Jackett so zurecht gerafft, dass die Manschetten gerade noch herausschauten, doch sollten sie – nach KNIGGE – nur bis zur Daumenwurzel reichen, nicht aber die Hände überdecken. Sonst könnte man denken, der Herr sei eingelaufen.

 

Vatermörder" und weiße Weste 

Bei jenen, die sich ein ganzteiliges Oberhemd nicht leisten konnten, aber von Amts wegen oder aus anderen repräsentativen Gründen eine „bella figura“ abgeben mussten, sollte es dennoch dem Anschein nach so aussehen.

 

 

 

Ein passabel gekleidetes Mannsbild

 

 Bei ihnen war der vermeintliche Hemdkragen nur aufgesetzt. Er wurde gestärkt und war daher steif aufgerichtet. Damit er nicht am Hals zum besagten „Vatermörder“ wurde, hatte man die spitzen Enden oberhalb der Kragenschließung nach vorne umgeknickt. Vorsichtshalber blieb so des Mannes obligater „Adamsapfel“ von der steil aufgestellten Halsleiste unberührt.

 

 

Vatermörder"

 

In den meisten Fällen war der Kragen mit einer eingesetzten „Hemdenbrust“ verbunden. Wie schon beim aufgesetzten Kragen wurde so ein „Vorhemd“, auch „Betrüger“ genannt, ebenfalls gestärkt. Es bedeckte die Männerbrust nur partiell und war nicht viel breiter als die Weite des Westenausschnitts, unter den man es einfügte. Oben mit dem Kragen befestigt, hielten unten zwei seitliche Bänder, die man hinter dem Rücken überkreuzte und vorne wieder zusammenknotete, die Oberhemdattrappe in Position. Bei unzureichender Bindung rollte sich die gestärkte „Hemdenbrust“ auch schon mal nach oben aus dem Ausschnitt heraus und klappte einem sich eitel brüstenden Mannsbild unters Kinn. In der „freiwilligen“ Komik ein beliebter Slapstick.

 

Staffage

An den Ärmelenden des Jacketts lugten weiße Manschetten hervor. Freilich, auch sie waren angesichts eines fehlenden ganzteiligen Oberhemdes mit einem größeren Ganzen nicht verbunden. Allenfalls weiße „Röllchen“ aus gestärktem Leinen (gelegentlich nur aus Pappe oder Zelluloid) und über die Hand von unten in die Ärmel eingeschoben.

Hier werden einige vielleicht an „Die Feuerzangenbowle“ denken. In dem Filmklassiker gibt es eine Szene, die zeigt, wie Physiklehrer „Bömmel“ zu Beginn des Unterrichts seine „Manschettenröllchen“ abstreift und vorne aufs Kathederpult stellt, um daraufhin zum Thema Lokomotion die „bewegende“ Frage in den Unterrichtsraum zu werfen: „Wat is' ne Dampfmaschin'? Jungs, da stelle ma uns mal janz dumm, und sagen, en Dampfmaschin' iss ne jroße, runde, schwarze Raum mit zwei Löschern. Durch das eine kommt der Dampf rein, un das andere krieje ma späta ... "

Womöglich erinnern sich einige auch an „Moderne Zeiten“ mit Charlie Chaplin. Zunächst nur als Kellner in einer Tanz-Bar engagiert, notiert ihm die Freundin vor seinem ersten Gesangsauftritt den Liedtext auf ein „Manschettenröllchen“. Freilich, bei der ersten hektischen Armbewegung schleudert das lose Teil aus seinem Ärmel und verschwindet auf Nimmerwiedersehen in der Zuschauermenge. Was er dann zum Besten gibt, ist ein „Nonsense Song“. Übrigens, Chaplins erste Tonaufnahme.

 

Das Drunter unter dem Drüber

Nun zum Unterhemd, das der Mann hautnah auf dem Leibe trug. Es besaß hinten am Halsausschnitt einen Knopf, der standardmäßig für die Befestigung des aufgesetzten Kragens vorgesehen war. Im Unterhemd zeigten sich die Männer freilich nur privat, wenn sie wegen der Schonung des feinen Zwirns oder auch nur aus Bequemlichkeit ihren Überzieher abgelegt hatten. Wenn es sie fror, zogen sie sich eine Strickjacke oder sonst eine Joppe über. Die Malocher trugen bei ihrer schweißtreibenden Arbeit ebenfalls diese Kragenknopfhemden, doch immer ohne was darüber.

Wenn wir schon bei des Mannes Unterwäsche sind, wollen wir auch das Thema Unterhose – ob kurz, also knielang, oder im Winter gern länger bis in die Socken – beleuchten. Allerdings, bei Licht besehen, war so eine Männerunterhose ein Elend, ihr Anblick sicherlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Allenfalls, als man die Weißwäsche noch draußen an der frischen Luft trocknen ließ, konnte jeder, der zufällig dahergelaufen kam, die intime Garnitur des Hausherrn inspizieren. Spannte die Haushälterin von Herrn Pastor im Pfarrgarten die Wäscheleine, so wurde dort sichtbar, was fromme Seelen im Dorf verlegen als die „Geheime Offenbarung" registrierten.

 

Intimitäten

Die unterste Hose des Mannes war in der Regel ein ziemlich „lömmeliges“ Textil. Erst seit den 20er-Jahren, mit der Erfindung der Rechts-Links-Maschenware durch Rundstrickmaschinen, gab es den Feinripp, der in seiner Wirkart, so er sich nachstrafft, körpernah anliegt.

Wie auch immer, bei der Entkleidung im ehelichen Schlafzimmer war es ratsam, bei Zeiten das Licht auszumachen. Nein, keine Reizwäsche, wie die sündigen Schlüpfer", die gelegentlich nebenan die Gattin ablegte, allenfalls ausgekochte Weißwäsche, mitunter auch grau oder ergraut, oben nur, wo heute ein Gummiband für strammen Halt sorgt, mit einer Bundschnalle zugeknöpft. Falls der Bund unter den Bauch rutschen sollte, war die Unterhose durch die mit Strapsen geschulterte Oberhose immer noch vor tieferem Fall gesichert.

Sicherlich, es gab für Herren auch „Hemdhosen“, bei denen Unterhose und -hemd eine durchgewebte Einheit bildeten, was in einem ausgestreckten Moment, dem Bauch die Blöße zu geben, verhindern mochte. Eine von oben bis unten durchgehende Knopfleiste ließ sich vorne leicht aufknöpfen. Für „größere Besorgungen“, die man auf der anderen Seite „hinter“ sich bringen musste, brauchte es allerdings eigens eine Gesäßklappe.

 

Handsame Auslässe

Bei schlichteren, einteiligen Unterhosen war vorne ein Stoffteil überlappend vor den anderen genäht. Vorm Gemächte ließ man eine Naht, ohne Knöpfe einzusetzen, ein Stückweit, meist rechter Hand, für den seitlichen Eingriff offen. Üblicherweise beliebt es den Männern im Stehen zu brunzen, ohne erst die Beinkleider ablassen zu müssen. Für die Notdurft, die man nur „kurzerhand" zu erledigen gedachte, befand sich notwendigerweise von außen auch in der Oberbekleidung eine rasche Zugriffsmöglichkeit. Jene Hosentüren" glichen früher in ihrer aufwendigen Kledage, was den Verriegelungsaufwand betraf, einem „Hochsicherheitstrakt“. Zunächst gab man sich zugeknöpft. Wegen der lästigen Knöpferei gab es allerdings auch „Tage der offenen Tür“. Der Reißverschluss als Schnellverschluss fand in Deutschland, obwohl er schon 1890 auf der Weltausstellung in Chicago vorgestellt worden war, erst nach dem letzten Weltkrieg allgemeine Verbreitung. Wenn er nicht klemmte, hielt er „schließlich“ zusammen, was mit Anstand zusammengehörte.

 

Problemlösungen

Es war auch kein Geheimnis, dass man als Mann unter seinem Jackett Schulterpolster trug, die mit Druckknöpfen befestigt waren. Hinzu kamen die obligaten „Schwitzblättchen“, die unter die Schulterachseln eingefügt wurden und – da sie herausnehmbar waren – auch gewaschen werden konnten. Seinerzeit standen ja dem schlichten Zeitgenossen bei seinen transpirativen Unternehmungen keine Oberhemdsärmel, die den Schweiß hätten absorbieren können, zur Verfügung. Ungeachtet aller Vorsichtsmaßnahmen mochte nach Jahren, mitunter Jahrzehnten des Gebrauchs so mancher Herrenrock nach Bock gerochen haben.

Nun zum Bauch des Mannes. In den überwiegenden, vor allem „schwerwiegenden“ Fällen ist er auch seine Problemzone. Was sich bei reiferen Frauen subkutan, vor allem hinten herum und seitlich über den Hüften zur barocken Adipositas aufpolstert, kommt beim Manne garantiert vorn um die Nabelregion zuhauf. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die „Wellbrett“-Skulptur der Bauchmuskulatur eines jungen, noch athletischen Mannes, die sog. Six-Packs, beim reiferen Exemplar letzthin zu Six-in-one-Pack fusionieren. Daher waren Männerhosen von vorneherein im Bauchbereich geräumig angelegt. Von wegen Slimline-Design! Auch im Schritt ging es ohne Zwacken voran. Sich entscheiden zu müssen, ob man „es“ ins linke oder rechte Hosenbein stecken wollte, war nicht notwendig. Für ein gestandenes Mannsbild bot jedenfalls der reichlich bemessene „Spielraum" uneingeschränkte Entfaltungs"- möglichkeiten.

 

Wider die „Haltlosigkeit" oder was sonst noch unvorteilhaft wäre

In Ermangelung einer Taille braucht es beim Mann einen „Leibriemen“, der jedoch nur funktioniert, wenn er über dem Bauch zusammengerafft wird. Unter den Bauch geschnallt, erweist sich bei den vergleichsweise schmalen Hüften des Mannes die Umgürtung über kurz oder lang als haltloser Zustand. Nur solide Hosenträger halten dann das verbindliche Versprechen, in allen angespannten Lebenslagen die Fassung zu wahren. An ihren Enden waren die Schultergurte mit Laschen versehen – oftmals je zwei für alle „Fälle“. Hieß doch auch die alte Bauernregel: „Rutscht dem Landwirt im Sommer die Hose, war im Winter ein Knopf schon lose.“ Auf Grund der damals noch mangelnden Elastizität der Strapse gab es immer wieder „spannende“ Momente. Ein baiuvarisches „Mannsbuild" stellte die rustikalen Träger zu seiner Lederhose öffentlich zur Schau, zu alledem mit einem Brustriegel, den vielleicht in der Mitte noch ein in Hirschhorn geschnitztes Edelweiß zierte.

 

Womit sich kaschieren ließ

Die feineren Herren bevorzugten ihre Hosensicherung unter einer Weste zu verbergen. Wenn das Jackett den angefutterten Leibesumfang nicht mehr fassen konnte und aufgeknöpft offen stehen bleiben musste, bedeckte die überbordende „Außentaille“ immer noch die obligate Weste. In den seitlichen Vordertaschen einer solchen Weste verbarg der Mann in der Regel auch sein Kleinod, die Taschenuhr, – eine mit Schnappdeckel, versteht sich. Gleichwohl ließ er ihre goldene oder nur goldige Kette, die mit einem mittleren Westenkopf verbunden war, gern protzig heraushängen.

Selbst wenn man eine Weste im Bereich der unteren Knöpfe schon vor der Zerreißprobe wähnte, stand den eitleren Herren eine Bauchbinde gut an. Solche den Leib umfassenden Breitbänder sieht man heute noch bei befrackten Sängern, aber auch bei Instrumentalsolisten und Orchestermusikern. Vor allem Dirigenten sind mit einer Bauchbinde gut beraten, denn in ihrer Zunft werden die Arme schon gleich zum Auftakt angehoben und bis zum finalen Abwinken ausgreifend hin und her geschwenkt. Notorisch abgewandt, mit der Kehrseite zum Publikum, wäre es unschicklich, wenn sich Maestro beim Furioso das Hemd aus der Hose arbeiten würde. Alle hinter ihm, ohne dass er es selber merkte, könnten es mitverfolgen. Auch bei den nach hinten überhängenden Frackschößen wird jener Körperteil verdeckt, dessen fortwährende Betrachtung in der Rückansicht nur von wesentlicheren Dingen ablenken würde.

  

Sammelsurium von Einzelteilen

Ebenfalls im Verborgenen, unter den Hosenbeinen, sorgten damals „Sockenhalter“ – die kleinen Brüder der Hosenträger – für den Halt der Strümpfe.  

 

 

Lange Unterhose und Sockenhalter

 

In Ermangelung eines damals nicht verfügbaren waschbaren Gummizuges klipste man die Herrensocke jeweils an einen kurzen Straps. Jener wurde über der Wade gegürtet. Das konnte auch schon mal die Durchblutung hindern und dafür sorgen, dass ein Krampfader-Geschwader aufzog. Andernfalls, wenn man die Umgürtung nicht fest genug gezurrt hatte, war es nur eine Frage der Zeit, dass der niedergegangene Strumpf die Wade bloßstellte oder die lange Unterhose, den vielgescholtenen „Liebestöter“, weiß hervorblitzen ließ.

Das Drunter und Drüber, so möchte man meinen, ein Martyrium der Unfreiheit. Nicht richtig festgezurrt, eingeknöpft und eingeschoben, – Herrschaftszeiten! – schon sank die Staffage einer vermeintlich stattlichen Männlichkeit haltlos herab, klappte sich unters Kinn oder flog aus dem Ärmel. So waren seinerzeit die würdigen Herren der Lächerlichkeit mit Sicherheit preisgegeben. – Ach, wie gut wir Männer es doch heute haben!

 

Martin Mendgen, Stillleben mit (abgelegter) Herrenkleidung, 1932, im Stadtmuseum Trier, Foto gemeinfrei

Historische Bilder aus der Fotosammlung Stift Keppel