„Den kenn ich“, sagte eine Schülerin, als ihre Schulklasse beim Ausflug nach Bonn auf dem Münsterplatz vor dem Beethoven-Denkmal stand. „Von dem Typ habe ich die Klingeltöne“.
„Na klar", spottete ihre Mitschülerin, „auf deinem Smartphone. Doch hat er die Töne, ich meine diese, nicht für 'ne Elise komponiert?“
„Schon möglich. Doch guck mal, wie der guckt! Und ausgerechnet der soll für Europa die Ode an die Freude komponiert haben?" – „Hast Recht, so sieht er gar nicht aus.“
Beethovendenkmal in Bonn auf dem Münsterplatz
„Schluss, aus!“, sagte der Lehrer, „wer hält jetzt das Referat?“
„I-I-Ich bin dran“, meldete sich eine Schülerin aus der hinteren Reihe. „Also, ...." Schon grätschte der Lehrer dazwischen: „Fang nicht wieder an mit also!" – „Na gut, ich sag dann mal der B e a t [biːt]" ... Als der Lehrer, der schon seine Augenbrauen angehoben hatte, mit dem Kopf schüttelte ... „Also vielleicht doch B e e t hoven? – Auf jeden Fall, der da vor uns steht, ja, der ist – ich will ja nicht also sagen –, der war ...“
Nun mal im Ernst
Im Folgenden einige Bemerkungen zu Geist und Wesen und dem Leiden des Genies, die allerdings so nicht auf dem vorbereiteten Zettel der Schülerin standen.
Also, ein „geiler Typ", um im Jargon der besagten Teenies zu sprechen, war Beethoven gewiss nicht. Eher ein Griesgram, mitunter aufbrausend, wie seine wilde Frisur ahnen lässt. Fest steht, dass er sich in jungen Jahren bereits als Wunderkind erwiesen hatte, womit er Anerkennung und Gefallen fand. Dagegen soll er, als er älter wurde, oft knurrig und cholerisch gewesen sein, unzufrieden mit sich und der Welt. Hatte er’s doch auch nicht leicht.
Der Komponist mit den wuscheligen Haaren, die er gewiss nur mit gespreizten Fingern durchkämmen konnte, galt auch als musikalischer Revolutionär und schließlich als Wegbereiter der Romantik, das Lebensgefühl zur damaligen Zeitenwende. Beethoven interessierte sich nicht nur für Musik, sondern auch für Philosophie, Literatur und Politik. In seiner musikalischen Frühphase beschwor er gern das Heldenhafte im Menschen. Er begeisterte sich für die Französische Revolution und widmete Napoleon seine 3. Sinfonie, die „Eroica“. „Fidelio“, eine Befreiungsoper, blieb sein einziges Bühnenwerk, wenn man von einigen Schauspielmusiken, die sich auf Ouvertüren und Zwischenspiele beschränken, einmal absieht.
Ein Ausnahmetalent
Beethovens Denkmal auf dem Münsterplatz zeigt ihn nicht in seiner Jugend, wohl eher in seiner Wiener Spätzeit. Dennoch reklamieren die Bonner gern das Genie als ihr Gewächs, als ein Talent rheinischer Provenienz. In der Tat wurde er dort 1770 geboren. Sein Taufdatum am 17. Dezember ist aktenkundig.
Vater und Großvater waren dort an der kurfürstlichen Oper engagiert. Ludwigs Vater wollte, da er sehr ehrgeizig sein konnte, aus seinem Sohn ein Wunderkind wie Mozart machen. Schon mit vier Jahren musste der Kleine, auf einem Stuhl stehend, Klavier spielen. Oft wurde er nachts vom betrunken heimkommenden Vater zum Üben aus dem Schlaf gezerrt.
An den Tasten hatte er bald außergewöhnliche Fähigkeiten entwickelt, die von einigen Pianisten seiner Zeit in höchsten Tönen gelobt wurden. Mit sieben Jahren gab er sein erstes Konzert. Mit Zwölf komponierte er bereits Stücke mit lustigen Namen wie das „Lied an einen Säugling“ oder später auch eine „Elegie auf den Tod eines Pudels". Die virtuose Klaviermusik unter dem sinnfälligen Titel „Wut über den verlorenen Groschen“ hat er erst später (1794/95) skizziert. Obwohl sich Beethoven sehr gut auf die Wut verstand, ist die Bezeichnung jedoch nicht von ihm selbst, sondern vom Wiener Musikverleger Anton Diabelli (1785-1858 – siehe den Essay hierzu an anderer Stelle) hinzugefügt worden, als dieser das Werk ein Jahr nach Ludwigs Tod veröffentlichte.
Die Wut über den verlorenen Groschen op. 129,
populärer Titel eines Klavierstücks von Ludwig van Beethoven.
Er selbst bezeichnete es im Autograph als Alla Ingharese quasi un Capriccio.
Als Ludwig noch 12 Jahre alt war, hatte der Vater, der immer wieder und öfter als es das schmale Familienbudget erlaubte, das Geld in einer Weinschenke verjubelt und somit die Familie so weit in den Ruin getrieben, dass sein Sohn mitverdienen musste – zunächst als Gehilfe seines Lehrers, des Hoforganisten Christian Gottlob Neefe, dann als kurfürstlicher Hilfsorganist mit 150 Gulden Monatsgehalt. Als Bratschist lernte der Orchestermusiker Beethoven in der Bonner Schlosskapelle das Repertoire der Zeit nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis kennen.
Treffen mit Mozart unter keinem guten Stern
Mit 17 Jahren reiste Beethoven erstmals in die österreichische Hauptstadt Wien, damals das kulturelle und musikalische Zentrum Europas. Er soll beim hochverehrten Wolfgang Amadeus Mozart studieren. Doch die Reise steht unter keinem guten Stern. Zwar sagt ihm Mozart eine große Zukunft voraus, aber so richtig Zeit für ihn hat der Vielbeschäftigte nicht. Schon nach wenigen Wochen erfährt Beethoven, dass seine Mutter todkrank ist, und kehrt nach Bonn zurück.
Die Mutter stirbt 1787 an Schwindsucht. Zur Trauer über ihren Tod und der Enttäuschung über die verpasste Chance in Wien kommt eine weitere Last hinzu. Weil der Vater inzwischen gänzlich dem Alkohol verfallen ist, muss Ludwig als der älteste Sohn für die Familie sorgen. Glück im Unglück: Er macht die Bekanntschaft einer reichen Witwe, deren Kinder er unterrichtet und die ihn einflussreichen Persönlichkeiten vorstellt.
1792 hatte der junge Beethoven Bonn verlassen und war endlich nach Wien umgezogen. Er blieb dort bis zu seinem Lebensende 1827. Als Lebenswerk hinterließ er rund 240 Kompositionen und schon zu Lebzeiten konnte er davon leben. Schon damals war Beethoven ein „Star“.
Seinerzeit und für viele über Generationen hinweg zählte Beethovens „Ode an die Freude“ in der 9. Sinfonie (Wiener Uraufführung am 7. Mai 1824 im Theater am Kärntnertor) zum alles sprengenden Maß ihrer bisherigen Hörgewohnheiten. Mit seiner Musik ging das Zeitalter der Wiener Klassik zu Ende.
Seine liebe Not mit der Liebelei
Die Damen, vor allem aus adligen Häusern, drängten sich, von ihm unterrichtet zu werden. Wenn ihm die Schülerinnen gefielen, was hieß, wenn sie gut Klavier spielen konnten, nahm er nicht mal Geld. Andererseits zerriss er manchmal die vorgelegten Noten, weil sie eine Stelle nicht ausdrucksvoll genug spielten. Andererseits konnte er auch sehr empathisch sein, wenn er stundenlang auf dem Klavier improvisierte, um eine Frau, die Kummer hatte, zu trösten.
Auch Gräfin Giulietta Guicciardi, wie ihre Cousinen Therese und Josephine, waren Klavierschülerinnen Beethovens. Vor allem Gräfin „Julie" hatte es fertiggebracht, dass er seinem Jugendfreund anvertrauen konnte:
„Etwas angenehmer lebe ich jetzt wieder, indem ich mich mehr unter Menschen gemacht. [...] Diese Veränderung hat ein liebes, zauberisches Mädchen hervorgebracht, das mich liebt, und das ich liebe; es sind seit zwei Jahren wieder einige selige Augenblicke, und es ist das erste mal, dass ich fühle, dass mich das Heirathen glücklich machen könnte."
Er bedauerte nur, dass er nicht von ihrem Stande sei. Jedenfalls widmete Beethoven der 19-Jährigen 1802 die Sonata quasi una Fantasia per il Clavicembalo o Piano-Forte, Opera 27, N° 2, die man auch unter der weniger spröden Bezeichnung als „Mondschein-Sonate" kennt.
Obwohl van Beethoven selbst nicht von Adel war*, pflegte der Komponist gerne „Beziehungen“ zu adligen Frauen. Woher nahm er dieses Selbstbewusstsein? Hatten ihn doch die Ideen der Aufklärung Liberté, Égalité, Fraternité tief geprägt, was er ja im Sinne von „Alle Menschen werden Brüder!“ in der „Ode an die Freude“ nachdrücklich einforderte. Seinem Gönner, Fürst Karl Lichnowsky, schrieb er: „Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich; Fürsten hat es und wird es noch Tausende geben, Beethoven gibt’s nur einen.“ Er wusste natürlich ganz genau, dass er ein Genie war.
Fraglich ist, ob weitergehende Verbindungen mit heiratsfähigen jungen Damen nur wegen der Standesunterschiede nicht zustande kamen. Zumindest wollte er das selber glauben. Durchaus gab es auch schon damals Frauen, die sich über gesellschaftliche Schranken hinweggesetzt hätten. Witwen oder getrenntlebende Frauen hatten oft bürgerliche Geliebte.
Dass Beethoven am Ende nie eine feste Partnerin fand, hatte mehr mit seiner schwierigen Persönlichkeit zu tun. Er litt unter furchtbaren Stimmungsschwankungen und war vollkommen chaotisch.
Er hätte es wohl in einer bürgerlichen Ehe nie ausgehalten. So hatte Beethoven gemäß seiner vertonten „Ode an die Freude“, um sich in „den Jubel ob der gemeinhin vorherrschenden Aufbruchsstimmung einzumischen“, auch nie ein „holdes Weib errungen“. Vielmehr blieb er zeitlebens Junggeselle. Als der alte Junggeselle zum Sterben kam, klagte er, nie eine Frau gefunden zu haben.
Er war sicherlich ein leidenschaftlicher, sehr empfindsamer Mensch. Aber er hatte hohe Ansprüche. Die Frau sollte schön, gebildet und, wenn möglich, am besten von Adel sein. Natürlich sollte sie seine Musik verstehen. Ob ihn jemals eine erhört hat, bleibt ein Geheimnis.
Auch bei Therese Malfatti, der Nichte seines Arztes, hatte er sich große Hoffnungen gemacht. Er ließ sich von einem alten Jugendfreund sogar schon einen Taufschein schicken, wie ihn ein Hochzeiter vorlegen muss. Aber Therese mochte ihn nicht.
Auch der Sängerin Magdalena Willmann, die er bereits aus Bonn kannte, soll er einen Antrag gemacht haben. Ihre Nichte erzählte später, sie habe ihn nicht angenommen, weil er so hässlich war und halb verrückt. – Halt ein Genie, möchte man sagen, das anderen auf den Geist geht, von dem es selber zu viel hat.
Schwerhörig und am Ende taub.
Mit dem Hören, es begann im Alter von 27 Jahren, wurde es bei ihm immer schwieriger und eine zunehmend quälende Belastung, gerade für ihn als Musiker. In einem Brief an seinen Freund Dr. Franz Gerhard Wegeler schilderte er seine Symptome: „Mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden … nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort … Ich bringe mein Leben elend zu … meide alle Gesellschaften, weil’s mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin taub. Hätte ich irgendein anderes Fach, so ging’s noch eher, aber in meinem Fach ist es ein schrecklicher Zustand … Die hohen Töne von Instrumenten und Singstimmen höre ich nicht, wenn ich etwas weit weg bin, auch die Bläser im Orchester nicht. Manchmal auch höre ich den Redner, der leise spricht, wohl, aber die Worte nicht, und doch, sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich.“
In seiner Verzweiflung suchte Ludwig van Beethoven die besten Ärzte seiner Zeit auf. Doch sie konnten ihm nur sehr begrenzt helfen. Mandelöl-Ohrentropfen und Meerrettich-Baumwolle, die er sich in seine Ohren stopfen sollte, wurden angewandt, bestimmte Teesorten verabreicht, schließlich lauwarme Donaubäder verschrieben, die ihm sogar bei seinen Ohrgeräuschen etwas geholfen haben sollen.
Häufige Entzündungen hatten die Gehörknöchelchen, die gewöhnlich den Schall im Mittelohr übertragen, durch chronische Knocheneiterung (Cholesteatom = Knochenfraß) weggeätzt und somit eine Ertaubung begünstigt.
Der Feinmechaniker Johann Nepomuk Mälzel, der u. a. einen musikalischen Chronometer erstmals als „Metronom“ benannte, versorgte Beethoven mit eigens für ihn konstruierten Hörrohren, von denen sich einige mit Haltevorrichtungen (s. folgende Abb.) auch hinter die Ohren oder um den Hals schnallen ließen, so dass er nicht nur ein wenig besser hörte, sondern zugleich auch die Hände frei hatte. So sollte er auf dem Klavier spielen und umgehend die Notenfolge aufschreiben können.
Konstruktionen verschiedenartiger Hörhilfen von Johann Nepomuk Mälzel
1813 eigens für Beethoven gefertigt
Eine weitere Unterstützung war ein an seinem Flügel befestigter Holzstab, den Beethoven zwischen seine Zähne nahm. Auf diese Weise hatte er zumindest ein Vibrationsempfinden.
Doch seine Schwerhörigkeit verschlimmerte sich zunehmend, so dass er nicht mehr als Pianist auftreten oder dirigieren konnte. Ab 1818 waren Gespräche mit ihm nur noch schriftlich möglich. Zahlreiche Konversationshefte sind aus dieser Zeit erhalten.
Er komponierte weiter, bis er mit 48 völlig taub war. Es war still in ihm, aber nicht um ihn geworden. Seine letzten überragenden Werke, er war auf den Gipfelpunkt seiner Popularität angelangt, konnte er schon nicht mehr hören. Wenn er mit dem Rücken zum Publikum stand, musste man ihn erst anstoßen, wenn hinter ihm das Publikum enthusiastisch Beifall klatschte.
Noten schreiben, ohne sie zu hören?
Wie konnte das gehen? Mit Sicherheit hatte Beethoven das sogenannte absolute Gehör. Oft missverstanden, als seien Menschen mit absolutem Gehör im Stande, geringste Laute wahrzunehmen. Nein das Gras, auch wenn‘s in C-Dur sein sollte, hören sie nicht wachsen. Was nicht tönt, vernimmt man auch mit absolutem Gehör nicht. Vom besagten Absoluten spricht man, wenn Menschen die Höhe beliebiger Töne bestimmen und in ein Tonsystem einordnen können, ohne dafür einen Vergleichston zu benötigen.
Die Fachwelt ist einer Meinung, dass man sich nach dem sechsten Lebensjahr das absolute Hörvermögen ohne Referenzton beim besten Willen nicht mehr antrainieren kann. Einige sind sogar der Meinung, es sei sinnvoll, dass das eigentlich jedem Menschen angeborene Hören der Tonhöhen anfangs nur den Zweck hat, Stimmen zu unterscheiden und kontrolliert sprechen zu lernen. Sobald das Kleinkind sprechen kann, soll die Fähigkeit des absoluten Gehörs keine Bedeutung mehr haben. Vielmehr kann es im Alltag nur verwirren und falsch getroffene Töne sogar zur Qual werden. Deshalb, so die These, bilde sich die absolute Hörfähigkeit in der Regel von selbst zurück.
Das absolute Gehör, wenn man’s erstmal hat, wie Ludwig schon seit Kindertagen, und mit ständiger Übung beibehält, kann es auch im Alter, wenn man, wie er, mit Taubheit geschlagen ist, nützlich sein. Für einen Musiker allemal.
„Ein Tauber mit dem absoluten Gehör“, klingt das nicht wie ein Widerspruch?
Nun ist das absolute Gehör keine Leistung der Ohren, sondern des Gehirns. Und die Musik, die Beethoven einfiel, war schon in ihm drin, bevor er sie niederschrieb.
Sein immerzu brodelndes Gedärm
Es gibt etliche Darstellungen, die Beethoven als einsamen Spaziergänger zeigen. Sie sind wohl eher aus dem Gedächtnis skizziert. Einen ständigen Begleiter hätte der einsame Flaneur kaum in seiner Nähe geduldet .
„Der einsame Meister"
Beethoven auf einem Spaziergang in der Nähe von Wien
Was ihn raus an die frische Luft trieb, die alsbald unangenehm hinter ihm roch und ihn daher zum raschen Fortschreiten antrieb, waren seine Blähungen. Der Reizdarm, der ihn quälte, ließ den Maestro fortwährend knattern. Das mochte er selbst überhören, war er, mit Verlaub, doch letzthin völlig taub.
Warum peinigten ihn die brodelnden Darmgase so sehr? Als man ihn nach seinem Ableben obduzierte, was auch durchaus seinem eigenen Wunsch entsprach, stellte man als Todesursache eine fortgeschrittene Leberzirrhose fest. War sein Körper etwa vergiftet?
Schnell kam man auf Quecksilber, das man damals u. a. gegen Syphilis verabreichte. Aber welche physischen Kontakte sollte schon ein Hagestolz wie Beethoven zu Lebzeiten gepflegt haben? Und vom Verkehr in den venerisch infizierten Kreisen weiß man auch nichts.
Quacksalber, die damals mit Quecksilber, Blei, schwachdosiertem Arsenik und anderen Giften therapierten, haben durch diese „Rosskuren“ vielleicht eine vorübergehende Wirkung, die man gerne als Anzeichen einer bevorstehenden Heilung werten wollte, aber mit Sicherheit den alsbaldigen Tod herbeigeführt. Und der war kein gnädiger.
Seit seinem dreißigsten Lebensjahr sind bei Beethoven Symptome wie Flatulenz, Durchfall, Leibschmerzen, Koliken, Entzündungen und in dessen Folge Fieberzustände überliefert. Zum einen kommen akute Erkrankungen in Betracht, zum anderen werden eine oder mehrere chronische Erkrankungen als Hauptursache genannt. Neben übermäßigen Alkoholkonsum – sollte er denn väterlicherseits vorbelastet gewesen sein? – wurde eine Bleivergiftung vermutet.
Weißwein, aber bitte süß und billig
Beethovens Biografen haben festgehalten, dass er regelmäßig billigen Weißwein trank, vielleicht den grünen Veltliner, der als autochthone Rebsorte auch um Wien herum angebaut wurde. Allemal besser als das Wasser seinerzeit, zumal der Alkohol im Wein das Getränk weitgehend keimfrei machte. Da es Beethoven ohnehin oft sauer aufstieß, trank er, wenn möglich, am liebsten entsäuerten, süßen Wein.
Statt mit dem damals noch teuren Rohrzucker aus Übersee zu süßen, den man angesichts der von Napoleon verordneten Kontinentalsperre (1807-1813) zeitweilig auch gar nicht mehr bekommen konnte, glaubten sich die heimischen Winzer mit Bleizucker behelfen zu müssen. Damit ließ sich der schlichte Landwein auf wundersame Weise versüßen. Zuckerreiche Rüben, die man im eigenen Land hätte anbauen können, gab es noch nicht. Sie mussten damals erst auf einen höheren Zuckerertrag hin gezüchtet werden.
Zu Beethovens Symptomen passte das Ergebnis der Analyse von Haaren, die ihm zugeschrieben wurden. Denn die untersuchte Haarlocke und auch seine Knochen enthalten Blei in einer außergewöhnlich hohen Konzentration.
Mit Blei hatte sich schon einst die römische Oberschicht schleichend vergiftet und sterilisiert. Am Blei ist also eine Weltmacht zugrunde gegangen. Diese Dummheit muss sich – in den Wirkzusammenhängen lange Zeit unerkannt – bis in die Neuzeit fortgesetzt haben.
Gefäß mit Zucker des Saturns
Saccharum saturni – der „Saturn" im Namen lässt schon Unheilvolles ahnen – , Bleizucker oder chemisch Blei(II)-acetat, zum Süßen des Weins, würde bei heutiger Verwendung einen langen Beipackzettel mit Hinweisen auf Nebenwirkungen füllen, vermutlich, wenn man auf Beethovens Ende sieht, als Zuckerersatz auch gar nicht mehr erlaubt sein.
In diesem Zusammenhang mag einem vielleicht an dieser Stelle der Hinweis „süffisant" erscheinen, wenn man fast zweihundert Jahre später an 1985 erinnert, als aufgedeckt wurde, dass österreichische Winzer ihren Wein, wenn er mal wieder nicht von der Sonne verwöhnt worden war, mit dem Frostschutzmittel Di-ethylen-glykol süßer, also „süffiger" machten. Ob toxisch oder nicht, jedenfalls eine skandalöse Panscherei.
Der letzte Applaus, gleichwohl er ihn nicht hört
„Plaudite, amici, comedia finita est", (Applaudiert, Freunde, die Komödie ist zu Ende!). Diese Worte werden nicht nur dem im Sterben liegenden Kaiser Augustus zugeschrieben, auch Ludwig van Beethoven soll sie als letzte Worte geäußert haben. Zumindest wird es so erzählt, dass der große Komponist nach dem Empfang der Sterbesakramente diesen Satz von sich gegeben habe. Und natürlich passt dieser Spruch trefflich zu dem Bild von Beethoven, das sich die Musikwelt von ihm gemacht hat. Das gequälte Genie, das im Todeskampf halb ironisch sein großes, oft tragisches Leben als Komödie beschreibt. Die Aussage ist tatsächlich belegt. Beethoven soll sie aber schon einige Tage vor dem 26. März 1827, seinem Todestag, geäußert haben.
Statue von Ludwig van Beethoven (1929) auf dem Münsterplatze in Bonn, Foto Isenberg
* In niederländischen Familiennamen bezeichnet der Zusatz „van“ den Herkunftsort des Namensträgers und ist kein Adelsprädikat. Dessen ungeachtet hielt Beethoven sich durchaus für adlig. Das zeigte sich, als eine Rechtssache gegen seine Schwägerin in Österreich wie selbstverständlich vor einem für den Adel zuständigen Gericht verhandelt werden sollte. Nachdem er seine im Lauf des Verfahrens angezweifelte adlige Herkunft nicht nachweisen konnte, sah sich das Gericht nicht mehr für zuständig und die Sache ging vor ein bürgerliches Gericht. Das entschied dann zwar die Rechtssache zu seinen Gunsten, doch war Beethoven nachhaltig gekränkt, da man ihm seinen vorgeblich adligen Stand abgesprochen hatte.
„Die Wut über den verlorenen Groschen, op. 129", im Autograph als Alla Ingharese quasi un Capriccio bezeichnet, Repro gemeinfrei.
Otto Robert Nowak (1874—1945) „Der einsame Meister" (Beethoven auf einem Spaziergang in der Nähe Wiens), 1908, Wien Museum, gemeinfrei
Aufnahme von einem historischen Gefäß mit Saccharum saturni, Nationalmuseum für Amerikanische Geschichte, gemeinfrei